NSA-Ausschuss: Mühsame Aufklärung des BND-Skandals

Andreas Frischholz
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NSA-Ausschuss: Mühsame Aufklärung des BND-Skandals
Bild: Magic Madzik | CC BY 2.0

Im NSA-Ausschuss versuchen die Abgeordneten immer noch aufzuklären, wie die BND-Überwachung gegen befreundete Staaten und Institutionen ablief. Die Aussagen vom ehemaligen Dienststellenleiter im BND-Standort in Bad Aibling verdeutlichen dabei, dass es infolge der Snowden-Enthüllungen recht chaotisch zuging.

Bad Aibling steht regelmäßig im Vordergrund, weil der BND den Standort gemeinsam mit der NSA betreibt und von dort aus etwa Teile der globalen Satellitenkommunikation überwacht. Nun wurde im NSA-Ausschuss der Zeuge R.U. befragt, der die Dienststelle von 2010 bis 2015 leitete. Er hatte im Herbst 2013 den Auftrag erhalten, die fragwürdigen BND-Selektoren zu deaktivieren. Bei den Selektoren handelt es sich um Suchbegriffe wie Telefonnummern und IP-Adressen, die der BND in die eigenen Überwachungssysteme einspeist, um den globalen Datenverkehr zu filtern.

Weisungen und Aufträge im Stundentakt

Demnach ordnete das Kanzleramt Ende Oktober 2013 an, dass der BND keine Ziele mehr überwachen solle, die mit der EU und NATO in Verbindung stehen. Entsprechende Selektoren sollten umgehend deaktiviert werden. Wann genau von der BND-Spitze ein Überwachungsstopp für befreundete Staaten und Institutionen erteilt wurde, konnte der Zeuge aber nicht mehr sagen. Denn „seit Juni 2013 sind Weisungen und Aufträge im Stundentakt bei uns eingegangen“, an Einzelheiten könne er sich nicht erinnern. Erstaunlich ist zudem: Weisungen aus der BND-Zentrale erhielten die Mitarbeiter entweder schriftlich, mündlich oder per E-Mail. Dokumentiert werden mussten diese jedoch nicht. Aber auch ohne schriftliches Festhalten habe man laut R.U. sichergestellt, dass Anweisungen aus der BND-Zentrale korrekt ausgeführt wurden.

Erneut zeigen sich also die kuriosen Abläufe bei der BND-internen Aufklärung des Skandals, die bereits bei den letzten Sitzungen des NSA-Ausschusses deutlich wurden. Interessant ist in dieser Hinsicht noch: Für die BND-Mitarbeiter in Bad Aibling war spätestens im August 2013 klar, dass zumindest die NSA-Selektoren ein Problem darstellen, wenn diese sowohl auf Firmen als auch Politiker in Deutschland und Europa abzielten. Bei entsprechenden Selektoren, die der BND selbst erstellt hatte, dauerte dieser Prozess aber noch etwas länger, wie aus dem Live-Ticker von Netzpolitik.org hervorgeht.

„Es gab keine Kontrollinstanz“

Etwas präziser waren derweil die Auskünfte vom Dienststellenleiter der BND-Außenstelle in Rheinhausen. Das gilt etwa für die Selektoren, die der BND dort einsetzt: Etwa die Hälfte erstellt die Außenstelle selbst, der Rest stammt aus der BND-Zentrale in Pullach. Ob es sich dabei auch um Selektoren von Partnerdiensten wie der NSA handelt, könne er zwar nicht sagen. Allerdings bestätigte er auf Nachfrage: „Da waren auch Aufträge dabei mit EU-Bezug.

Sämtliche BND-Selektoren werden zudem erst seit dem Sommer 2014 in einer zentralen Datenbank erfasst. Zuvor hatten die Mitarbeiter in den Außenstellen noch recht freie Hand bei der Gestaltung ihrer Überwachungsprogramme. „Jeder Nachrichtenbearbeiter konnte den Selektor einstellen, von dem er meinte, dass er relevante Informationen liefern wird“, so der Zeuge. Bei Meldungen, die auf Erkenntnissen der Überwachungsaktivitäten beruhen, habe man zwar die Selektoren zur Kenntnis genommen. Genehmigt werden mussten diese aber nicht im Vorfeld: „Es gab keine Kontrollinstanz.

Selektoren, die auf befreundete Staaten und Institutionen abzielten, wurden in Rheinhausen dann in der ersten Jahreshälfte 2014 deaktiviert. Die offizielle Weisung aus der BND-Zentrale erfolgte demnach im April 2014, erreichte die Außenstelle Rheinhausen wegen eines Fehlers im Verteilersystem aber erst im Juni. Allerdings hatten die Mitarbeiter bereits vorsorglich reagiert, weil Entwürfe dieser Weisung bereits seit Ende 2013 bekannt waren.